Kalla Malla
»Frau ohne Gewissen« (»Double Indemnity«) gehört zweifellos zu den besten amerikanischen Filmen aller Zeiten und ist vielleicht der ultimative »Film Noir«. Die Zutaten des Thrillers sind längst Geschichte: eine habgierige, verführerische Femme Fatale (Barbara Stanwyck), ein charakterloser Versicherungsvertreter (Fred MacMurray), ein komplizierter Mordplan, der beiden das Geld aus einer Lebensversicherung bringen soll, und das Scheitern sämtlicher Hoffnungen auf ein bisschen Glück.
Billy Wilder inszeniert die Geschichte von skrupellosen Menschen in packenden Schwarz/Weiß-Bildern, das Drehbuch von Wilder und Raymond Chandler strotzt nur so von bissigen, intelligenten Dialogen und Doppeldeutigkeiten. Allein die erste Begegnung von Stanwyck und MacMurray knistert vor erotischer Spannung. MacMurray ist genial gegen seinen Typ besetzt (er war sonst auf den lieben Onkel abonniert), und in einer wichtigen Nebenrolle glänzt Edward G. Robinson als väterlicher Kollege MacMurrays und einzig positive Figur.
Doch »Frau ohne Gewissen« ist letztlich Barbara Stanwycks Film. Sie ist die ultimative »Femme Fatale« - aufreizend, ordinär und manipulativ. Sie zerstört alles, was ihr in die Hände kommt - inklusive sich selbst. Ihr Look ist unvergesslich. Oft wurde ihre (offensichtliche) Perücke als geschmacklos kritisiert, doch für Wilder war es genau dieser künstliche, billige Look, der ihr Wesen perfekt zum Ausdruck bringt. Verkommene Menschen in verkommender Umgebung.
Auch optisch deuten Billy Wilder und sein Kameramann John F. Seitz die menschlichen Abgründe, die sich unter der oberflächlich heilen Welt verbergen, an:
Als Walter zum ersten Mal das Anwesen der Dietrichsons betritt wechselt die Lichtgebung von strahlendem kalifornischen Sonnenschein zu düsteren Schattenspielen. Die für Hollywood typische, perfekte Ausleuchtung wird durch an den deutschen Expressionismus angelehntes Licht abgelöst. Je mehr sich die Handlung zur Tragödie entwickelt, desto enger und dunkler werden die Räume, bis man in manchen Einstellungen Walter und Phyllis nur noch schemenhaft erkennt. Selbst bei Tage zeigt sich dieses Gefangensein durch die ständigen Schatten, die auf den Protagonisten liegen.
Fazit: Sollte man den »Film Noir« anhand nur eines Films erklären, dann wäre es »Frau ohne Gewissen«. Ein Meisterwerk.