Kalla Malla
"The Tunnel" ging eine sehr interessante Vermarktungsstrategie voraus: Anstatt den Film regulär über DVD / BluRay zu verkaufen, bot man den Streifen völlig legal und absolut gratis als Torrentdownload an. Wer allerdings wollte, konnte sich Originalframes, sowie eine später erschienene DVD Version kaufen. Einige Zeit später erschien der australische Film schließlich auch regulär in Deutschland und eben jene VÖ von Turbine lag mir gerade vor:
In einer australischen Großstadt steht ein Umbau der Kanalisation an, betroffen davon ist auch ein Geflecht von Katakomben, um das sich zahlreiche urbane Mythen und Verschwörungstheorien ranken. Eine Filmcrew unter Führung von Gonzo-Journalistin Natasha Warner nutzt eine nicht ganz legale Gelegenheit, dort unten nach dem Rechten zu sehen, und erlebt ihr blaues Wunder. Monate später wird das dramatische Geschehen im Tunnel anhand von gefundenem Bildmaterial sowie Zeugenaussagen rekonstruiert.
Der Film ist durch und durch eine Mockumentary, die auf der einen Seite mit den bei einigen Filmfans unbeliebten "Wackelkamera Aufnahmen" aufwartet, aber dafür in unregelmäßigen Abständen sauber gefilmte Interviewszenen der Beteiligten einwirft. Diese treiben die Story recht geschickt voran und natürlich wird durch diese Art der Inszenierung dem ganzen Film durchaus einen realen Anstrich verpasst.
Etwas, worüber sich möglicherweise Viele freuen werden ist, dass wir es hier mit einem Reporterteam zu tun haben, welches verstanden hat, dass man gefälligst ein Stativ mitzunehmen hat. Somit bleiben uns logikbefreite Shaky-Eskapaden wie im mehr als nur durchwachsenen "Trollhunter" erspart und die erste Hälfte des Filmes präsentiert sich zum Großteil als recht sauber gefilmte Dokumentation.
Zwar könnte die Einführung der Charaktere wirklich ein paar Minuten kürzer ausfallen, aber wenn "The Tunnel" ungefähr bei Minute 25 ins richtige Geschehen einsteigt, mag man als Zuschauer gerne über den holprigen Einstieg hinwegsehen. Was der Film dafür von Anfang an gut macht ist, dass er um die Tunnel ein sehr gutes Mysterium in Form einer kleinen Vorgeschichte aufbaut und dass er ein fantastisches Setting auffährt.
Man kann wirklich sagen, dass hier "Creep" aus das "Blair Witch Project" und "The Descent" trifft, denn genau diese Filme, sind zu 100% erkennbar. Und wer - wie ich - Filme wie den eben erwähnten "Creep", "Stag Night", "End Of The Line" und diverse andere alleine der Kulissen wegen feiert, der darf sich "The Tunnel" eigentlich nicht entgehen lassen. Vorallem wenn das Reporterteam unterirdische Luftschutzbunker, verlassene Schlafbereiche oder den See in diesem Tunnelsystem betreten, überkommt dem Zuschauer ein absolut wohliger Schauer und man wartet wirklich gespannt darauf, was der restliche Film noch so zu bieten hat. Als Highlight empfand ich die Szene in dem Glockenraum, als Reporterin Natasha auf die alte Kriegs-/ Alarmglocke draufschlägt, ein ohrenbetäubender Krach losgeht und der Tonmann von nicht identifizierbaren Geräuschen berichtet, die er in dem Moment über seine Kopfhöhrer hatte hören können. In genau solchen Momenten ist klar, dass die Drehbuchschreiber wirklich wussten, wie sie aus einer noch so verhersehbaren Gegebenheit das Maximal als Suspense haben herausholen können.
Kurz darauf geht der Film sogesehen auf Konfrontationskurs, denn passend zum Erklingen der Alarmglocke, scheint wohl auch die Jagdsaison auf die Reporter eröffnet worden zu sein. Ab da ist klar, dass sich in den Tunneln noch etwas befindet. Und ich kann wirklich nur jedem, der den Film nicht kennt, empfehlen, sich bestenfalls von all dem fernzuhalten, was Aufschluss über die "Gefahr" geben könnte. Denn wenn man wirklich so gar keinen Plan hat, ob da unten jetzt etwas humanoides, paranormales oder animalisches lauert, wird der Film umso mehr wirken. Deshalb sage ich auch gleich, dass ich im nächsten Abschnitt nicht um einen Spoiler herumkommen werde:
Eigentlich weiß ich es wirklich zu schätzen, wenn ein Film sich lange genug Zeit lässt, seinen Antagonisten möglichst im Verborgenen zu halten. Und ein Film wie "Chernobyl Diaries", "Cloverfield" oder "Splinter", bei welchen man eigentlich bis zum Ende die Kreaturen nur ansatzweise hat erkennen können, liefert in meinen Augen immernoch den besten Kompromiss ab. So haben meiner Meinung nach Monsterfilme zu funktionieren und auszusehen, denn ich weiß nicht, wieviele Filme sich schon selbst zerstört haben, in dem sie glaubten, ihre Kreatur in voller "Pracht" zeigen zu müssen. "Mama" war da beispielsweise ein wirklich bemitleidenswerter Vertreter. Allerdings muss ich in Bezug auf "The Tunnel" sagen, dass ich hier gerne wirklich mehr von diesem Vieh gesehen hätte. Zwar ist der humanoide Ursprung deutlich zu erkennen, aber außer leuchtenden Augen und Bewegungen im Schatten nichts zu zeigen, war möglicherweise dann doch zuviel des Guten. Zumal das Wesen dadurch im späteren Verlauf, wo der Suspense eh meistens schon verflogen ist, mit einer stärkeren, physischen Präsenz dem Film in einigen Szenen noch wesentlich mehr Drive verpassen hätte können. Ich schon nachvollziehen, dass vielleicht für einen solchen Film die Mittel nicht ausgereicht haben, um hier creature-technisch wirklich auf die Kacke zu hauen, oder das man zugunsten des Realismusgrades auf klare Aufnahmen verzichtet hat, aber mir persöhnlich war die Bedrohung schlussendlich doch zu gering.
"The Tunnel" ist eine wirklich sehenswerte Mockumentary, die mit tollen Sets sowie einer angenehmen Inszenierung ohne penetrant abgemischte Jump-Scares zu überzeugen weiß. Die Schauspieler muss man auch lobend hervorheben, genauso wie die Tatsache, dass man hier schon sehr bemüht war, typische Found-Footage "Krankheiten" in Bezug auf Bildästhetik weitestgehend zu vermeiden. Im Detailbereich ist der Film nicht ganz perfekt, aber das wird vorallem auch eine Frage des persöhnlichen Geschmacks sein. Ich habe mich im dunklen Zimmer zumindest gut gegruselt und kann Interessierten hier eigentlich eine bedenkenlose Empfehlung aussprechen. Allerdings sollten die Erwartungen schon im Rahmen bleiben.