Kalla Malla
Während der Weihnachtsferien nimmt Roger (Marc Rose) gemeinsam mit seiner Verlobten Gwen (Jade Dornfeld) eine längere Reise auf sich, um seine Schwester Brooke (Frankie Ingrassia) nach einer Auseinandersetzung vor mehreren Jahren endlich wieder sehen und sich mit ihr aussprechen zu können. Kaum, dass die Beiden Brooke's Haus mit dem Taxi erreichen, nimmt die Situation auch schon eine unerfreuliche Wendung, als Roger erkennen muss, dass auch sein ehemaliger Freund Charles (Scoot McNairy), sowie seine Exfreundin Kate (Samantha Shelton) an den weihnachtlichen Feierlichkeiten teilnehmen werden. Die Beziehung der einstmaligen Freunde ist aufgrund eines nunmehr mehrere Jahre zurückliegenden Ereignisses merklich angespannt, die Stimmung der Gäste ist gereizt, zumal von Gastgeberin Brooke weit und breit nichts zu sehen ist. An ihrer statt stellt sich den vier Gästen ihr neuer Freund Marcus (Ross Kurt) vor, der ihnen ausrichtet, dass Brooke einen Autounfall hatte und etwas später eintreffen wird.
Vor allem Roger steht dem angeblich neuen Freund seiner Schwester jedoch von Anfang an skeptisch gegenüber, hat diese doch bislang kein einziges Wort über Marcus verloren, welcher zudem einen einschüchternden und nicht gerade sympathischen Eindruck auf die vier Neuankömmlinge macht. Während die Zeit vergeht und Brooke im Laufe des Abends noch immer nicht auftaucht, zeigt Marcus alsbald sein wahres Gesicht. Der Psychopath spielt Brooke's Freunde geschickt bis zur kompletten, blutigen Eskalation der Lage gegeneinander aus...
Bei einem Film mit dem Titel "Marcus" ist im ersten Moment sicherlich mit so manchem zu rechnen, deutet hier doch noch nichts darauf hin, dass es sich bei dieser Low-Budget-Produktion der Regisseure Bob Hardison und Rich Robinson, die hier ihren Debutfilm ablieferten, um einen Horrorthriller handelt. Erst ein Blick auf das Cover des Films macht diese Zuordnung zweifelsfrei möglich und offenbart zudem schnell, dass sich die beiden Filmemacher hier keiner übernatürlichen Thematik annahmen, sondern einen klassischen Psychothriller mit Serienkiller-Elementen inszenierten. Das mag soweit noch ganz ansprechend tönen, erhält den ersten Dämpfer allerdings schon durch die Tatsache, dass dieser Film mit einem Budget von nur 100.000 $ inszeniert wurde, es sich hier also um eine sehr kostengünstige Produktion handelt - eine Tatsache, die "Marcus" auch zweifelsfrei anzusehen ist. Diese Gegebenheit alleine richtet das Werk bereits lediglich an alle Low-Budget-Liebhaber, jene, die in der Lage sind, auch einem "Billigfilm" eine unvoreingenommene Chance zu geben. Leider enttäuscht "Marcus" das Vertrauen seines Publikums letztendlich dadurch, dass er eine grundsätzlich interessante Handlung lediglich halbgar und höhepunktslos aufbereitet.
Bob Hardison und Rich Robinson hatten von einem Low-Budget-Horrorfilm offensichtlich eine andere Vision als jene einer blutdurchtränkten und all zu dilettantischen Splatterorgie, wie es dem Genre-Liebhaber aus diesen Kostenkreisen nur all zu vertraut ist. In ihrer ersten Regie-Arbeit setzen die Beiden fast ausschließlich auf Handlung und lassen somit die allesamt eher unbekannten Schauspieler die Hauptverantwortungen tragen. Diesem Unterfangen darf letztendlich attestiert werden, dass es für einen gewissen Zeitraum durchaus funktioniert. Der Film beginnt anfangs sogleich mit der Einführung seines titelgebenden Hauptprotagonisten, seines Zeichens sadistisch veranlagter Psychopath und Serienkiller. In den Anfangsminuten legt Marcus die offensichtlich verletzte und stark eingeschüchterte Brooke in eine Badewanne, nimmt ein Diktiergerät zur Hand und stellt der jungen Frau unter Androhung von Gewalt allerhand Fragen über ihren Freundeskreis. Die erpressten Antworten werden dem raffinierten und perfiden Killer später nützlich sein, um eben jene Freunde gegeneinander auszuspielen. Eine solche Handlung bei einem Thriller der eher kostengünstigen Machart anzufinden, ist erfreulich, nützt allerdings nichts, wenn sie letzten Endes beinahe spannungslos aufgetischt wird.
Kern- und Angelpunkt des Filmes ist die Beeinflussung des Menschen in einer Extremsituation. Natürlich wäre es weit verfehlt, "Marcus" in dieser Hinsicht so etwas wie kalkulierenden Anspruch zusprechen zu wollen, doch bietet der Streifen dadurch wenigstens eine angenehme, wenn auch nicht all zu schlagkräftige Abwechslung zum sonstigen Low-Budget-Geschehen. Das vorherrschende Stilmittel des Films ist der Dialog. Erst in den letzten Minuten, und somit reichlich spät für ein Werk, das dem Serienkiller-Subgenre entspringt, führt der titelgebende Killer auch physische Gewalt aus. Dem voraus geht ein mehr als einstündiges Spiel psychologischer Irrleitung, in dessen Verlauf der undurchsichtige Marcus ein verborgenes und verdrängtes Geheimnis der vierköpfigen Freundesschar offenlegt und somit einen lange unterdrückten Streit provoziert. Bob Hardison und Rich Robinson dürfen in dieser Hinsicht zumindest insofern gelobt werden, als dass es ihnen gelang, die vier Freunde Brooke's - Charles, Roger, Kate und Gwen -, durchaus so etwas wie Persönlichkeit zu verleihen, wodurch das Publikum innerhalb der 78 Minuten an Spielzeit nicht das Gefühl hat, einer Reihe lebloser Marionetten zuzusehen.
Ein paar Abstriche, die noch angeführt werden, müssen bis dato zwar gemacht werden, wenn sich der Film lediglich auf diese Elemente belaufen würde, doch hätten es die Regisseure bei diesem psychologischen Spiel belassen, dann würde "Marcus" letztendlich durchaus als kleiner und feiner Independet-Film hervorgehen. Leider reißen sie ihr Werk aber durch einige Aspekte so sehr ins Lächerliche, dass der Gesamteindruck mehr als nur getrübt wird. Während Samantha Shelton, Marc Rose, Scoot McNairy und Jade Dornfeld nämlich ein durchweg annehmbares Schauspiel an den Tag legen, war Schauspiel-Debutant Ross Kurt mit der Rolle des Marcus wohl vollkommen überfordert. Als Resultat dessen, versucht er seinen Serienkiller durch eine ganze Palette schräger Blicke zu charakterisieren, so dass Marcus den kompletten Film über mit weit aufgerissenen und starren Augen durch die Szenarie stolpert und sich ansonsten blass und gewollt-bedrohlich gibt. So entsteht aber bestenfalls der Eindruck eines an Durchfall leidenden leidenden Spinners, der nicht in der Lage ist, die für ihn vorgegebene Rolle sinngemäß auszufüllen. Was natürlich hinzukommt und nicht fehlen darf, sind die für derlei Filme üblichen Logiklöcher, die wieder einmal berechtigten Zweifel am Geisteszustand der Charaktere aufkommen lassen. Während Brooke's Freunde fast die gesamte Laufzeit auf sie warten, liegt sie derweil im oberen Stockwerk in einer Badewanne und wimmert vor sich hin, anstatt mit einem Schrei oder dergleichen auf sich aufmerksam zu machen, wie es jeder normal denkende Mensch tun würde. Aber so viel Logik darf einem Werk wie "Marcus" wohl nicht zugemutet werden.
Ein weiteres Ärgernis ist die Tatsache, dass "Marcus" als Serienkiller-Film beworben wird und in Deutschland sogar ab 18 freigegeben wurde, obwohl absolut nichts diese Tatsachen rechtfertigt. Die Gewalt innerhalb dieses Machwerks beläuft sich auf zwei, drei kurze Szenen, die zudem in absolut keiner Hinsicht verstörend oder glaubhaft wirken. In einer Sequenz reißt Glaubschaugen-Marcus einer jungen Dame beispielsweise mit einer raschen Handbewegung die Kehle auf, was vom Zuschauer viel eher mit heftigen Lachanfällen, als mit ungläubigem Entsetzen quittiert wird. Die absolute Unfähigkeit und Willkür gewisser deutscher Prüfungskomissionen werden jedenfalls an realitätsfernen Freigaben wie der von "Marcus" absolut deutlich. Den eigentlichen Regisseuren ist hierfür jedoch kein Vorwurf zu machen, ebenso wenig wie für die unsägliche Synchronisation, die in jedem Porno mit mehr Motivation daherkommt. Auf technischer Basis bietet "Marcus" letztendlich wohl das, was man von einem Low-Budget-Film erwartet. Ein visuelle Aufbereitung nur knapp über Homevideo-Niveau, ständige, unnötige Close-Ups auf die Gesichter der Darsteller und ein zumindest nicht vollends störender Score.
Fazit: "Marcus" ist in Ansätzen ein halbwegs interessanter Low-Budget-Film, der seine Story über die Eskalation eines Konflikts in einer Gruppe ehemaliger Freunde aber mit einem Serienkiller-Nebenplot anreichert, der nur von einem sehr toleranten Publikum als solcher erkannt werden wird. Die meiste Zeit über kommentiert jener titelgebende Marcus das Geschehen wie ein zahmer Talkshow-Moderator, starrt mit seinen Glubschaugen in die Runde und darf in den letzten Minuten schließlich das tun, wofür er berufen scheint. Was bleibt ist ein kurioses, ebenso debiles wie tatsächlich unterhaltsames Filmchen, das eigentlich mehr unfreiwillig amüsiert, als dass es seiner eigentlichen Intention eines Psychothrillers gerecht wird. Seine Freude an diesem unnötigen Machwerk wird jedoch letzten Endes niemand haben, weshalb hierfür auch absolut keine Empfehlung ausgesprochen werden kann.